Seit heute bin ich stolze Besitzerin des Wissens über die Kunst des Nutzens meines heimischen Internetanschlusses sowie der dazugehörigen Prepaid-Internetkarte. Der einzige Wehrmutstropfen nur - die Internetverbindung über das integrierte Modem meines Notebooks mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 26,4 kBit/s. (wird also nichts wegen den roten Ecken)
Das einwöchige WTO-Seminar ging heute zu Ende mit spannenden Diskussionen von der Art, wozu braucht zum Beispiel ein Land wie Uzbekistan überhaupt die WTO? Oder, wie soll man Grenzbeamte die offiziell nur 50 Euro im Monat verdienen dazu bringen, keine Schmiergelder mehr an den Grenzen zu fordern weil man die bisherigen Schmiergelder in offiziellen Steuern umgewamdelt hat?
Für einen Europäer ist Zentralasien ein nicht leicht zu begreifendes Pflaster. Man stelle sich vor: Der Geschäftsmann des Landes A will Waren, Tomaten zum Beispiel, in das Land B exportieren.
Aber: An die Information, welche Formulare man benötigt, um seine Tomaten ordnungsgemäß über die Grenze nach B zu bringen und welche Einfuhrsteuern auf Tomaten zu zahlen sind, weiss niemand .
Warum nicht? Weil die Informationen einfach nicht zugängig sind. Nicht einmal durch einen direkten Anruf im zuständigen Ministerium, und wer macht das schon. Und nicht einmal in Kirgisien, das als WTO-Mitglied (seit 1998) zur Transparenz verpflichtet wäre.
Da das mit den Formularen also niemand so genau weiss, hat sie auch kaum jemand vollständigerweise dabei und wird folglich an der Grenze oder unterwegs angehalten, von wegen "Keine Formulare, so geht das aber nicht ... " usw. Steht also 19 Studnen an der Grenze herum, die Kühlanlange des Lasters funktioniert vielleicht nicht besonders gut, und vielleicht ist auch noch das Land C zwischen den Ländern A und B und somit zwei Grenzübergänge. Also, der Exporteur steht 19 oder auch 38 Stunden an Grenzen herum, wird ein Paar Hundert Dollar an Schmiergeld los und bis er endlich im Land B bei dem Abnehmer X angekommen ist, sind die Tomaten auch schon hin. Volkswirtschaftlicher Schaden? Aber sicher!
Also fragt man als rationaler Europäer: Warum erhöht man einfach nicht die Zölle um den Schmiergeldbetrag, zahlt den Zollbeamten entsprechend mehr als 50 Dollar im Monat, feuert Leute für das Annehmen von Schmiergeldern, veröffentlich die Formalitäten und beschleinigt die Zollprozeduren sagen wir von 19 Stunden auf 2 (von der europäischen 40 Minuten redet ja keiner). Wieviel mehr Tomatenlaster würden dann wohl von A nach B fahren und wieviel mehr Zollgebühren würde Staat B wohl einnehmen und an relativen Arbeitsstunden für seine Zollbeamten sparen?
Logisch? Nee! Weil der Staat nicht in der Lage ist die Zolleinnahmen umzuverteilen und der Zollbeamte auch mit mehr Gehalt weiter Schmiergelder fordern wird. Warum? Ein Zollbeamter in Zentralasien verdient durchschnittlich 5000 USD, im Monat, an Schmiergeldern! Das könnte nicht einmal die BRD ihren Zollbeamten zahlen. Ausserdem bleiben die meisten eh nicht lange auf den Posten. Man kauft sich nämlich für ca. 100.000 USD so eine Zollbeamtenposten, und dann musst man natürlich das Geld wieder reinholen, die eigene Familie versorgen usw. So funktioniert das übrigens nicht nur für Zollposten, sonder auch für Bürgermeisterämter, Provinzgouverneure, Mi... ... (Das heisst nicht, dass es nicht auch ehrliche gibt)
Und es stellt sich unweigerlich die Frage: Was wollen die UNO, EU, USAid und die diversen anderen nationalen und internationalen Organisationen und Gesellschaften nochmal mit ihrer Entwicklungshilfe in Zentralasien?
Diese Frage habe ich ernsthalft nicht nur mir selbst sondern auch einigen lokalen Kollegen und einem Vetreter des tadschikischen Wirtschaftsministeriums gestellt. Es stimmt, es verschwindet unglaublich viel von dem Geld der westlichen Entwicklungshilfte in den Taschen diverser Regierungsfunktionäre. Auf der anderen Seite ist Europa schon so eine Art "Paradies", und zwar nicht in dem Sinne, dass man bereit ist alles zu übernehmen oder sich alles diktieren zu lassen, sondern primär im wirtschaftlichen Sinne. D.h., das westliche Wirtschafts- und Sozialsystem wird für erstrebenswert gehalten (das politische durchaus nicht unbedingt, es wird vielmehr sehr kritisch beäugt). Und allein unsere (also des Westens) Präsenz hier in Zentralasien zeigt den Menschen, dass man vom wirtschaftlichen Aspekt her viel besser Leben könnte und lässt so einen Eigenantrieb entstehen (Neid ist ein mächtiges Gefühl), etwas im eigenen Land zu verändern. Das ist wohl der in Privattaschen (denkt an das Wiedereinholen der Gelder, die man für Ämter bezahlt hat) versiebenden Entwicklungshilfegelder durchaus wert.